Es gibt eine ganze Reihe an Comedians, mit denen ich aufgewachsen
bin: Ingo Appelt (stets „leicht“ anzüglich), Mario Barth (immer
hyperaktiv mit Stories über seine Freundin), Michael Mittermeier
(ein klassischer Pausenclown) und auch Dieter Nuhr, alle mit –
zumindest damals – ihrer Daseinsberechtigung. Als pubertierender
Teenager hat mich Ingo Appelt zu 100% abgeholt, was sich aber auch
schnell wieder gelegt hat, als man dann doch etwas reifer wurde.
Mario Bart war mir mit dem gefühlt ständigem „kennste, kennste
kennste“ irgendwann einmal zu nervig und Michael Mittermeier war
meiner Meinung nach zwar immer gut und hörenswert, aber auf Dauer
etwas zu brav. Dieter Nuhr hingegen hat mich über Jahre überzeugt. Immer recht nahe dran an aktuellen Themen, leicht polarisierend, aber
irgendwo auch mit satirisch-intellektueller Note.
Vermutlich hat es über die Jahre auch Nachwuchs gegeben, aber bis
auf Claus von Wagner ist da niemand bei mir hängengeblieben. Alle
anderen die mir spontan einfallen, würde ich eher noch der
Poetryslamecke zuordnen (Till Reiners, Torsten Sträter etc.)
Und ja, ein Kaya Yanar, Johan König, Django Asyl oder Olaf Schubert
sind natürlich auch alle nicht verkehrt, aber wenn der ein oder
andere nicht gerade am Nockherberg aufgetreten ist, war die Comedy
hier auch eher harmlos und nicht unbedingt mit Hauptaugenmerk
Tagesgeschehen. Carolin Kebekus würde mir auch noch einfallen, aber
war mir immer zu unbeständig, manches fand ich richtig gut, manches
gähnend langweilig. Ich bin auch nach wie vor Fan von Frank-Markus
Barwasser, aber der ist in meinen Augen auch eher ein Klassiker mit
fast schon zeitlosen Gags.
Aber Dieter Nuhr, der hält die Fahne hoch, was intelligenten Humor
anbelangt. 2013 starb Dieter Hildebrandt, 2016 ging Volker Pispers in
Rente, bis auf Urban Priol (und mei ist der noch gut) und Nuhr blieb
da aus der Bubble keiner mehr für mich übrig.
Aber das war einmal…
Es ist traurig (und das macht es bei einem Berufskomiker noch
trauriger), dass sich mein Bild von ihm komplett gedreht hat. Klar,
man kann eine Kunstfigur des alten weißen Mannes schaffen und hierzu
überspitzte Witze machen, aber Dieter Nuhr spielt keine Bühnenfigur
mehr, der ist einfach so.
Wer mich kennt weiß, dass auch ich so einiges kritisch sehen und ab und dann die Samthandschuhe ausziehe, wenn mir manche Diskussionen zu
bunt werden. Man soll jeden respektieren, aber wenn sich die Inge
Müller aus Gaukönigshofen darüber aufregt, dass sich das
Nachbarkind an Fasching als Indianer verkleidet oder der Kai-Emil
Schmitt jeden Autofahrer mit Deutschlandfähnchen während der
Heim-EM als Nationalisten beschimpft, muss man die Kirche auch mal im
Dorf lassen. Aber das nur am Rande, sonst verliere ich den roten
Faden...
Zurück zu Nuhr und was mich an ihm mittlerweile ärgert. Dieter Nuhr
will mich (na ja, alt ist relativ, aber weiß und männlich kann man
schon so stehen lassen) als Zielgruppe ansprechen, aber er macht es
einfach zu billig, da kann ich mich auch gleich (Schubladendenken auf) in
Dresden an ´nen Stammtisch setzen, da habe ich ein ähnliches Niveau. Ständig schwadroniert er, dass man ja nichts mehr sagen
dürfe, Stichwort Cancel Culture, aber irgendwie höre ich das von
ihm so gut wie jede Woche, dass beißt sich doch. Im Grunde ist er
der lebende Beweis, dass man eben doch alles sagen darf. Und mit
gegensätzlichen Meinungen sollte man klarkommen, auch wenn ich mir
von vielen, die sich für seeeehr tolerant halten, ihrerseits mehr
Toleranz anderen gegenüber wünschen würde. Aber auch hier gleich
ein Schlussstrich, oben erwähnter roter Faden und so.
Man hört auf jeden
Fall Aussagen wie „man wird mundtot gemacht“, man darf
“öffentlich nichts mehr äußern“, die „Meinungsfreiheit ist in Gefahr“.
Auch hier ein
kurzer Exkurs: Luke Modridge hatte vor ein paar Monaten ordentlich
Gegenwind aufgrund eines behindertenfeindlichen Witzes . Ich finde
den Typen eher unlustig und der Joke war auch unterste Schublade,
aber dass man ihn deswegen gleich beruflich/wirtschaftlich ruinieren
will, halte ich für unverhältnismäßig. Keiner muss sich seinen
Kram anschauen, aber nur weil jemand einen schlechten Witz gemacht
hat, muss man ihn nicht gleich über die Klinge springen lassen.
Selbst wenn man das
so sehen mag, wenn das Woche für Woche im öffentlichen Fernsehen zu
hören ist, ist das doch einfach nicht so. Und obwohl er offenkundig
subtil AfD-Sprache adaptiert und über Mainstreammedien lästert
(„Aus Venedig zurück… Hier in Deutschland konnte ich den Medien entnehmen, dass die Kanäle in Venedig unter starkem Niedrigwasserleiden würden… Offenbar sieht man das nicht, weil sich über dem Niedrigwasser Wasser befindet“ = die bösen linken
Mainstreammedien, die nur Unwahrheiten verbreiten und die wichtigen
Nachrichten dem Volke verschweigen. Lüüüüüügenpresse!), hat er
seine Show fast schon perverserweise in der ARD. Für´s Protokoll,
Venedig hatte erwiesenermaßen Niedrigwasser, aber wenn ich ein
Selfie bei Flut mache, ist da natürlich Wasser zu sehen. Und wenn er ein paar Tage vor Ort war, hat er auch den Wasserstand bei Ebbe gesehen,
sich aber bewusst für den „hetzerischen“ Post entschieden der
suggeriert, das wäre alles gar nicht so.
Ich finde auf die
schnelle leider keine weiteren Beispiele, aber er hat immer mal
wieder aus Urlauben ultra-investigativ berichtet, dass deutsche
Meldungen nicht stimmen würden, bspw. bezüglich Demos.„Ich bin
hier vor Ort, hier ist nichts“ – obwohl eine Straße weiter die
Leute waren. Wohlgemerkt falsche Behauptungen wie Tatverdächtige mit Migrationshintergrund würden totgeschwiegen lässt er auch nicht zufällig fallen, da zielt er schon erkennbar in eine Richtung, dass muss jedem bewusst sein. Und dann labert er durch die Blume auch noch von der Todesstrafe, ganz großes Kino...
Ich weiß auch
nicht, was er für ein Problem mit Greta Thunberg hat. So schimpft er
in diesem Zuge gerne gegen die Klimakleber und auch fleißig gegen
die letzte Generation (wie die sich wohl nennen, wenn die mal Kinder
haben?), was ich in Teilen so sogar unterschreiben würde – halt
nur dumm, dass Greta Thunberg das Gesicht von Fridays For Future und
nicht das der Klimakleber ist. Ja, da geht’s um das gleiche Thema,
aber es ist unsauber, dass über einen Kamm zu scheren. Und dann hat
er auch keine Scheu vor wilden Themenwechseln, um sie in ein
schlechteres Licht zu rücken (Ich bin übrigens kein Freund von ihr,
auch wenn ich mir der Klimaerwärmung durchaus bewusst bin): „Gretas arabische Freunde beweisen doch, dass der Klimawandel nicht unser größtes Problem ist, sondern die Radikalisierten dieser Welt.“ Ja, da hat er recht, aber was hat das eine mit dem anderen zu tun? Hey, Hitler hat die Autobahn bauen lassen, vielleicht war er ja doch nicht so verkehrt - wäre ein genauso unsinniger Rückschluss. Und dieser Whataboutism regt mich auf. Wenn morgen die Atombombe fällt, die Aliens aus Independence Day anrücken oder meine Bude abfackelt, habe ich klar andere Probleme als den Klimawandel. Aber deswegen kann man den doch nicht ignorieren...
Ich hab´s mit der Political Correctness ja auch nicht so, aber alles
in Frage zu stellen? Medien, Politik, Migration, Klimawandel, Cancel
Culture, Corona, damals das Griechenlandbashing… irgendwann muss man
sich doch mal an allen Themen abgerieben haben. Auch ich bin Freund
offener Debatten, aber wenn man immer die gleiche, festgefahrene
Sicht hat, das Publikum einseitig lenken will und am Ende auch noch
Fakten ignoriert oder sich manches gar einfach ausdenkt (Ja, hat er schon gemacht), dann hört´s bei
mir einfach auf. So gut ich Dieter Nuhr damals als Kabarettist fand
und soviel Anklang er auch heute bei vielen noch hat – ich kann mit
seinem „Humor“ nichts mehr anfangen. Das ist keine gewitzte
Satire wie früher mehr, dass ist nur noch altbacken mit Tendenz
frustriert.
Aussagen wie „Wenn unsere Kinder meinen, wir können diese Welt mit ein bisschen Sonne und Wind antreiben, dann sollten wir Eltern ihnen ein Hamsterrad mit Dynamo ins Kinderzimmer stellen“ halten mache
vielleicht über einen gelungenen Schenkelklopfer, aber so lapidar
durchaus ernste, diskussionswürdige Themen abzuwiegeln, ist nur
noch billig. Ja, nur mit Solar und Wind wird´s vermutlich eng werden, aber so ein Spruch bringt doch auch keinen weiter. Aber Hauptsache mal gelästert, tut ja gut, sich für schlauer als den Rest zu halten. Ich erwarte bei jemanden, der mich unterhalten soll, ja
keine Elefantenrunde oder einen Talkshowcharakter, aber ein
bisschen Selbstreflexion würde ihm sicher nicht schaden. Bei ihm
gibt es nur Null oder Eins und im Grunde redet er alles schlecht oder
zieht es ins Lächerliche. Und so was muss ich mir nicht mehr geben.