So, jetzt schreibe ich doch ein bisschen was dazu. Wer es nicht mitbekommen hat, gestern wurden auf einen Schlag über 50 ironische/satirische Videos bezüglich der Coronapolitik und den entsprechenden Maßnahmen hochgeladen.
Protagonisten waren allerdings nicht der NPD-Uwe oder die Reichsbürger-Gabi, sondern zumindest bekannte Fernsehschauspieler/innen wie Jan-Josef Liefers oder Heike Makatsch. Grundtenor: Wir finden die Maßnahmen eher nicht so geil.
Wenig überraschend wurde die Aktion besonders von Leuten wie AfDlern, Ken Jebsen oder Hans-Georg Maaßen gefeiert, die ich für unangenehme, in Teilen sogar gefährliche Menschen halte.
Ich fand es jetzt auch nicht so prickelnd, dass sie ihre Reichweite für kollektives Meckern genutzt haben, aber: Das sind per se keine Schwurbler oder ein Attila Hildmann in seltsamer Uniform gewesen, dass sind Menschen, die gelinde gesagt die Schnauze voll haben. Da behauptet keiner, Spahn würde Babyblut saufen oder Deutschland wäre eine GmbH. Da hat auch keiner ein Problem mit Zuwanderung oder das die Erde eben doch recht rund ist. Die haben ein Problem mit der jetzigen Regierung und den aktuellen Maßnahmen.
Man kann so eine Aktion jetzt gut oder wie ich für eher kontraproduktiv befinden, aber nicht jeder, der sich kritisch äußerst, ist gleich rechts, auch wenn die ganze Aktion denen natürlich in die Hände spielt. Problematisch ist vermutlich eher das Verpacken als Satire, wir haben mehr als 80.000 Corona-Tode, hätte man meiner Meinung nach nicht machen sollen, finde ich pietätlos. Ist aber ein anderes Thema.
Die Welt ist nicht zweidimensional, es gibt nicht nur 0 oder 1. Wer nicht für mich ist, ist gegen mich, so ein Quatsch. Es ist sicherlich wahr, dass Diskussionen bei manchen zu nichts führen, aber man macht sich das Leben auch sehr einfach, wenn man bei jedem Widerwort gleich die Nazikeule rausholt und andere Meinungen ohne Diskurs als schwachsinnig abstempelt.
Es ist ein Jammer, dass ein Begriff wie Querdenken von den ganzen Schwurblern negativ besetzt wurde, denn eigentlich ist das ein schönes Wort. Kennt ihr noch die Szene aus "Der Club der toten Dichter", in der Robin Williams auf dem Tisch steht und verdeutlicht, dass man auch mal andere Perspektiven haben sollte? Ist nichts anderes.
Klar, ich diskutiere jetzt mit keinem, ob Angela Merkel ein Reptiloid ist oder ich irgendwelche Chips geimpft bekomme. Da bin ich wirklich so arrogant zu sagen: Meine Ansicht ist unumkehrbar, ich habe Recht, deine Argumente sind Schrott. Du glaubst an Chemtrails? Kannste machen, aber der Topf voll Gold am Ende des Regenbogens ist wahrscheinlicher.
Flagge und klare Kante zeigen, bin ich dabei. Aber nur, weil man sich seiner Sache sicher ist, sind nicht gleich alle anderen Idioten. Ja, da mögen einige dabei sind, auch Dschungelcampkandidaten wie Hildmann, Schweiger, Nena oder Wendler. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass es auch genug normale, rational denkende Leute gibt, die leider über einen Kamm geschert und als Deppen abgestempelt werden, obwohl sie sich nur kritisch äußern.
Es ist ein Unterschied, ob sich jemand ein Verschwörungsvideo auf Youtube anschaut und danach meint, er wäre da einer ganz großen Sache auf der Spur. In einem Forum gab´s mit dem Freund eines Freundes, der einen kennt, der eine ganz sichere Information hat, zudem eine weitere Quelle. So sind aber eben nicht alle. (Die Grammatik ist jetzt dahin, aber sei´s drum).
Aber wenn jemand fragt, hm, aktuell werden meine Grundrechte eingeschränkt, ist das wirklich das letzte Mittel? Gibt´s da keine anderen Möglichkeiten? Oder "Warum sind Fitnesstudios offen, aber Restaurants zu?", dann sind das für mich keine asozialen Gedankengänge. Nicht jedes Hinterfragen hat mit herumschwurbeln zu tun und nicht jede Kritik am Staat unterstellt gleich eine Diktatur. Man kann Orwells 1984 lesen und für gut befinden, ohne gleich QAnon-Anhänger zu sein oder das Kaiserreich auszurufen.
Die Leute sind müde. Einfach müde. Die Pandemie zehrt an fast jedem und wir alle wollen, dass wir wieder zur Normalität zurückkehren. Ich hab´s oft genug geschrieben, ich vermisse echt wenig, wäre aber trotzdem einer der ersten, die sich in den Biergarten setzen und eine Maß trinken. Oder sich ´nen guten Film im Kino anschauen. Oder sich die erstbeste Band reinziehen, die im Immerhin spielt. Aber ich stelle mich nicht hin und behaupte, dass alle, die sich kritisch äußern, Idioten sind. Wenn man nach 15 Monaten weltweiter Pandemie unzufrieden und erschöpft ist, muss man auch mal maulen dürfen.
Maulen ohne vernünftigen Gegenvorschlag bringt zwar keinen weiter, aber man sollte es dürfen (An dieser Stelle auch herzliche Grüße an Christian Lindner).
Die oben genannten Schauspieler haben nicht zum Sturm auf den Reichstag aufgerufen, sie haben ironische, ca. einminütige Videos ins Netz gestellt. Nicht mehr, nicht weniger. Darf man gut, oder blöd finden, aber soooooo dramatisch finde ich das jetzt nicht...Man muss in einer Demokratie eben auch mal eher seltsame Meinungen ertragen.
Wir brauchen Zusammenhalt und keine Vorwürfe gegen Leute, die im Wohnzimmer protestieren. Reden hilft, mit dem Finger auf andere zeigen aber eben nur bedingt.
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