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Sonntag, Januar 05, 2025

Wie kann man sich Nuhr so ändern - Warum mich als (alten) weißen Mann Dieter Nuhr trotzdem nicht mehr abholt

Es gibt eine ganze Reihe an Comedians, mit denen ich aufgewachsen bin: Ingo Appelt (stets „leicht“ anzüglich), Mario Barth (immer hyperaktiv mit Stories über seine Freundin), Michael Mittermeier (ein klassischer Pausenclown) und auch Dieter Nuhr, alle mit – zumindest damals – ihrer Daseinsberechtigung. Als pubertierender Teenager hat mich Ingo Appelt zu 100% abgeholt, was sich aber auch schnell wieder gelegt hat, als man dann doch etwas reifer wurde. Mario Bart war mir mit dem gefühlt ständigem „kennste, kennste kennste“ irgendwann einmal zu nervig und Michael Mittermeier war meiner Meinung nach zwar immer gut und hörenswert, aber auf Dauer etwas zu brav. Dieter Nuhr hingegen hat mich über Jahre überzeugt. Immer recht nahe dran an aktuellen Themen, leicht polarisierend, aber irgendwo auch mit satirisch-intellektueller Note.

Vermutlich hat es über die Jahre auch Nachwuchs gegeben, aber bis auf Claus von Wagner ist da niemand bei mir hängengeblieben. Alle anderen die mir spontan einfallen, würde ich eher noch der Poetryslamecke zuordnen (Till Reiners, Torsten Sträter etc.)

Und ja, ein Kaya Yanar, Johan König, Django Asyl oder Olaf Schubert sind natürlich auch alle nicht verkehrt, aber wenn der ein oder andere nicht gerade am Nockherberg aufgetreten ist, war die Comedy hier auch eher harmlos und nicht unbedingt mit Hauptaugenmerk Tagesgeschehen. Carolin Kebekus würde mir auch noch einfallen, aber war mir immer zu unbeständig, manches fand ich richtig gut, manches gähnend langweilig. Ich bin auch nach wie vor Fan von Frank-Markus Barwasser, aber der ist in meinen Augen auch eher ein Klassiker mit fast schon zeitlosen Gags.

Aber Dieter Nuhr, der hält die Fahne hoch, was intelligenten Humor anbelangt. 2013 starb Dieter Hildebrandt, 2016 ging Volker Pispers in Rente, bis auf Urban Priol (und mei ist der noch gut) und Nuhr blieb da aus der Bubble keiner mehr für mich übrig.

Aber das war einmal…

Es ist traurig (und das macht es bei einem Berufskomiker noch trauriger), dass sich mein Bild von ihm komplett gedreht hat. Klar, man kann eine Kunstfigur des alten weißen Mannes schaffen und hierzu überspitzte Witze machen, aber Dieter Nuhr spielt keine Bühnenfigur mehr, der ist einfach so.

Wer mich kennt weiß, dass auch ich so einiges kritisch sehen und ab und dann die Samthandschuhe ausziehe, wenn mir manche Diskussionen zu bunt werden. Man soll jeden respektieren, aber wenn sich die Inge Müller aus Gaukönigshofen darüber aufregt, dass sich das Nachbarkind an Fasching als Indianer verkleidet oder der Kai-Emil Schmitt jeden Autofahrer mit Deutschlandfähnchen während der Heim-EM als Nationalisten beschimpft, muss man die Kirche auch mal im Dorf lassen. Aber das nur am Rande, sonst verliere ich den roten Faden...

Zurück zu Nuhr und was mich an ihm mittlerweile ärgert. Dieter Nuhr will mich (na ja, alt ist relativ, aber weiß und männlich kann man schon so stehen lassen) als Zielgruppe ansprechen, aber er macht es einfach zu billig, da kann ich mich auch gleich (Schubladendenken auf) in Dresden an ´nen Stammtisch setzen, da habe ich ein ähnliches Niveau. Ständig schwadroniert er, dass man ja nichts mehr sagen dürfe, Stichwort Cancel Culture, aber irgendwie höre ich das von ihm so gut wie jede Woche, dass beißt sich doch. Im Grunde ist er der lebende Beweis, dass man eben doch alles sagen darf. Und mit gegensätzlichen Meinungen sollte man klarkommen, auch wenn ich mir von vielen, die sich für seeeehr tolerant halten, ihrerseits mehr Toleranz anderen gegenüber wünschen würde. Aber auch hier gleich ein Schlussstrich, oben erwähnter roter Faden und so.

Man hört auf jeden Fall Aussagen wie „man wird mundtot gemacht“, man darf “öffentlich nichts mehr äußern“, die „Meinungsfreiheit ist in Gefahr“.

Auch hier ein kurzer Exkurs: Luke Modridge hatte vor ein paar Monaten ordentlich Gegenwind aufgrund eines behindertenfeindlichen Witzes . Ich finde den Typen eher unlustig und der Joke war auch unterste Schublade, aber dass man ihn deswegen gleich beruflich/wirtschaftlich ruinieren will, halte ich für unverhältnismäßig. Keiner muss sich seinen Kram anschauen, aber nur weil jemand einen schlechten Witz gemacht hat, muss man ihn nicht gleich über die Klinge springen lassen.

Selbst wenn man das so sehen mag, wenn das Woche für Woche im öffentlichen Fernsehen zu hören ist, ist das doch einfach nicht so. Und obwohl er offenkundig subtil AfD-Sprache adaptiert und über Mainstreammedien lästert („Aus Venedig zurück… Hier in Deutschland konnte ich den Medien entnehmen, dass die Kanäle in Venedig unter starkem Niedrigwasserleiden würden… Offenbar sieht man das nicht, weil sich über dem Niedrigwasser Wasser befindet“ = die bösen linken Mainstreammedien, die nur Unwahrheiten verbreiten und die wichtigen Nachrichten dem Volke verschweigen. Lüüüüüügenpresse!), hat er seine Show fast schon perverserweise in der ARD. Für´s Protokoll, Venedig hatte erwiesenermaßen Niedrigwasser, aber wenn ich ein Selfie bei Flut mache, ist da natürlich Wasser zu sehen. Und wenn er ein paar Tage vor Ort war, hat er auch den Wasserstand bei Ebbe gesehen, sich aber bewusst für den „hetzerischen“ Post entschieden der suggeriert, das wäre alles gar nicht so.

Ich finde auf die schnelle leider keine weiteren Beispiele, aber er hat immer mal wieder aus Urlauben ultra-investigativ berichtet, dass deutsche Meldungen nicht stimmen würden, bspw. bezüglich Demos.„Ich bin hier vor Ort, hier ist nichts“ – obwohl eine Straße weiter die Leute waren. Wohlgemerkt falsche Behauptungen wie Tatverdächtige mit Migrationshintergrund würden totgeschwiegen lässt er auch nicht zufällig fallen, da zielt er schon erkennbar in eine Richtung, dass muss jedem bewusst sein. Und dann labert er durch die Blume auch noch von der Todesstrafe, ganz großes Kino...

Ich weiß auch nicht, was er für ein Problem mit Greta Thunberg hat. So schimpft er in diesem Zuge gerne gegen die Klimakleber und auch fleißig gegen die letzte Generation (wie die sich wohl nennen, wenn die mal Kinder haben?), was ich in Teilen so sogar unterschreiben würde – halt nur dumm, dass Greta Thunberg das Gesicht von Fridays For Future und nicht das der Klimakleber ist. Ja, da geht’s um das gleiche Thema, aber es ist unsauber, dass über einen Kamm zu scheren. Und dann hat er auch keine Scheu vor wilden Themenwechseln, um sie in ein schlechteres Licht zu rücken (Ich bin übrigens kein Freund von ihr, auch wenn ich mir der Klimaerwärmung durchaus bewusst bin): „Gretas arabische Freunde beweisen doch, dass der Klimawandel nicht unser größtes Problem ist, sondern die Radikalisierten dieser Welt.“ Ja, da hat er recht, aber was hat das eine mit dem anderen zu tun? Hey, Hitler hat die Autobahn bauen lassen, vielleicht war er ja doch nicht so verkehrt - wäre ein genauso unsinniger Rückschluss. Und dieser Whataboutism regt mich auf. Wenn morgen die Atombombe fällt, die Aliens aus Independence Day anrücken oder meine Bude abfackelt, habe ich klar andere Probleme als den Klimawandel. Aber deswegen kann man den doch nicht ignorieren...

Ich hab´s mit der Political Correctness ja auch nicht so, aber alles in Frage zu stellen? Medien, Politik, Migration, Klimawandel, Cancel Culture, Corona, damals das Griechenlandbashing… irgendwann muss man sich doch mal an allen Themen abgerieben haben. Auch ich bin Freund offener Debatten, aber wenn man immer die gleiche, festgefahrene Sicht hat, das Publikum einseitig lenken will und am Ende auch noch Fakten ignoriert oder sich manches gar einfach ausdenkt (Ja, hat er schon gemacht), dann hört´s bei mir einfach auf. So gut ich Dieter Nuhr damals als Kabarettist fand und soviel Anklang er auch heute bei vielen noch hat – ich kann mit seinem „Humor“ nichts mehr anfangen. Das ist keine gewitzte Satire wie früher mehr, dass ist nur noch altbacken mit Tendenz frustriert.

Aussagen wie „Wenn unsere Kinder meinen, wir können diese Welt mit ein bisschen Sonne und Wind antreiben, dann sollten wir Eltern ihnen ein Hamsterrad mit Dynamo ins Kinderzimmer stellen“ halten mache vielleicht über einen gelungenen Schenkelklopfer, aber so lapidar durchaus ernste, diskussionswürdige Themen abzuwiegeln, ist nur noch billig. Ja, nur mit Solar und Wind wird´s vermutlich eng werden, aber so ein Spruch bringt doch auch keinen weiter. Aber Hauptsache mal gelästert, tut ja gut, sich für schlauer als den Rest zu halten. Ich erwarte bei jemanden, der mich unterhalten soll, ja keine Elefantenrunde oder einen Talkshowcharakter, aber ein bisschen Selbstreflexion würde ihm sicher nicht schaden. Bei ihm gibt es nur Null oder Eins und im Grunde redet er alles schlecht oder zieht es ins Lächerliche. Und so was muss ich mir nicht mehr geben.

Mittwoch, November 06, 2024

US-Wahl: Überraschung? Nicht wirklich.


Sind wir mal ehrlich: Bevor Biden aus dem Wahlkampf ausgestiegen ist, hat sich doch niemand für Kamala Harris interessiert. Das traurige ist, dass sie nicht mal unbeliebt war, da man von ihr im Grunde nichts mitbekommen hat, sie blieb einfach komplett blass. Profil? Fehlanzeige. Erst nachdem man Biden (von außen betrachtet zurecht) abgesägt hat, wurde sie als große Retterin der Demokratie auserkoren.
Rebranding at it´s best.

Achtung, bissiger Kommentar:
Es langt (als afroamerikanische Frau im Erwerbsalter) offensichtlich nicht, nur das Gegenstück zum alten weißen Mann zu sein, um eine Wahl zu gewinnen.

Hier habe ich auf Deutschland bezogen geschrieben:
"Da ging es nicht um Klima, Rente, Infrastruktur etc, da ging es in 99% aller Diskussionen nur darum, die AfD zu verhindern. Das eigene Programm? Unwichtig, man ist ja nicht rechts, dass muss reichen."

Und das gilt auch in den USA. "Ich bin wenigstens nicht Trump" ist halt zu wenig, irgendwo braucht es auch Inhalte. Und da kam anscheinend eben zu wenig, mir fällt bis auf das Thema Abtreibung auch nur wenig ein, was hängen geblieben ist. Natürlich sind Themen wie z.B. Selbstbestimmung wichtig, aber das interessiert die Meisten - weil nicht betroffen - eben kaum, die haben ihren Fokus eher auf Preise für Lebensmittel und Energie gerichtet.

Kleiner Verweis auf Statista: Die Wähler trauten Harris zwar bei den Themen Abtreibung, Selbstbestimmung, Bildung. Gesundheit und Umweltschutz mehr zu, Trump führte dafür bei den Punkten Kriminalitätsbekämpfung, Außenpolitik inklusive Russland und Israel, Immigration, Inflation und Wirtschaft.

Trump hingegen hat sich eigentlich zu allem geäußert, zwar relativ planlos und häufig unrealistisch (hoffe ich zumindest, 100% Zoll auf deutsche Autos wäre für uns jetzt nicht so sexy), aber man kann ihm nicht vorwerfen, zu wenig Themen angeschnitten zu haben. Man muss ihm lassen, dass er im Gegensatz zu Harris die Amerikaner besser abgeholt hat (was uns mit der AfD auch noch blühen kann, Reizthema Migration, aber das würde jetzt ausufern).

Trotzdem bleibt er in vielen Punkten unberechenbar. Schlimm genug, dass er sich zu leicht von fragwürdigen Quellen (Fox/Tucker Carlson, Breitbart, "They’re [immigrants] eating the dogs. They’re eating the cats") bewusst oder unbewusst beeinflussen lässt, er verbreitet diese absurden Behauptungen halt auch noch. Selten habe ich von einem Politiker so viel offensichtlich falschen Unfug gehört. Und das der mächtigste Mann der Welt ein in 34 Anklagepunkten schuldig gesprochener Verurteilter ist, muss man auch erst einmal sacken lassen.

Im Kreml werden sie ihr Glück vermutlich kaum fassen können, während die Ukraine jetzt mehr denn je zittern muss - für Selenskyj  ist das Worst-Case-Szenario eingetreten. Aber auch bei uns werden einige dumm aus der Wäsche schauen, nicht nur wegen weiter zu erwarteten Flüchtlingen. Erst vor ein paar Tagen hat bei „Hart aber fair“ bspw. Frau Strack-Zimmermann in gewohnter Art „Trump hat nicht alle Tassen im Schrank” rausgehauen. Das darf man sicherlich denken, aber als Mitglied des europäischen Parlaments und Vorsitzende des Ausschusses für Sicherheit und Verteidigung, würde ich solche Aussagen nicht in Talk Shows kund tun.

Btw, neben Putin dürfte auch Elon Musk Luftsprünge machen. Taylor Swift hat sein Angebot sie zu schwängern (ehrlich, was für ein kranker Typ, mehr Hybris geht nicht) zwar ausgeschlagen, aber Trump wird sein Angebot, ihn in irgendeiner Position - und sei es nur Berater - zu unterstützen, zu 99% annehmen. Trump erneut Präsident und Musk vermutlich Teil der Regierung - Das das einmal Fakt ist, hätte ich nicht gedacht.