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Samstag, März 29, 2025

Unpopuläre Gedanken(spiele)

Die Bundestagswahlen sind zwar durch, aber viel ruhiger als zu Wahlkampfzeiten ist es irgendwie trotzdem noch nicht. Vielleicht wird es nach den Koalitionsverhandlungen besser, wobei das bei mir ehrlicherweise mehr Hoffnung als Glaube ist. Ein zentrales Thema - wenn nicht sogar das zentrale Thema - ist aktuell die Lockerung der Schuldenbremse (Wie sinnvoll eine lockere Bremse ist, muss jeder selbst entscheiden) bzw. das meiner Meinung nach recht großzügig ausgestaltete Sondervermögen. Irgendwo muss Geld her, aber zahlen will es seltsamerweise (welch Wunder) keiner. Und ja, auch ich laufe mit keinem Schild durch die Stadt, auf dem "Lieber Staat, bitte besteuere mich" zu lesen ist. Man macht die Hand eben lieber auf, als das man sie reicht.

Auf jeden Fall wird Geld benötigt, sei es für Wirtschaftswachstum, Klima, Verteidigung, Grundsicherung oder meinetwegen auch die 4-Tage-Woche. Die "Lösung" Sondervermögen gibt es schließlich aber nur, weil der Staat zu wenig Einnahmen generiert/erwirtschaftet, um (geplante) Ausgaben zu finanzieren. Die Gretchenfrage ob Einnahmen - oder Ausgabeproblem will ich heute aber gar nicht anreißen und mich auf mögliche Einnahmen beschränken. Sondervermögen hat nicht umsonst [be]sonder[s] im Namen, es sollte die Ausnahme bleiben. Und am Ende des Tages muss auch ein Sondervermögen finanziert werden.

Generell ist das mit der Umverteilung (Stichwort Allokationsfunktion des Staates) eh so eine Sache, ich verweise da mal auf einen über 15 Jahre alten Post: Reichtum für alle - Reichtum besteuern. Erst gebe ich was, dann nehme ich es wieder...

Geld ist grundsätzlich zwar da, aber ungleich verteilt und nicht in öffentlicher Hand. Anders formuliert, es muss mehr zum Verteilen beschafft (oder andernorts gekürzt) werden. Aber wen soll man schröpfen, wen soll man angehen? Meine Hypothese: Egal, an welchen Personenkreis man als potentielle Zahler denkt, sich selbst sieht man meist eher am Ende der Gedankenkette.

Bei mir ist es wie bei vielen anderen im Bekanntenkreis. Reich (der rein finanzielle Aspekt) ist man zwar nicht, es geht einem im Grunde aber gar nicht so schlecht. Das Auto ist klein und zweckmäßig, aber man hat eines; das Konto ist leer, dafür ist der Kühlschrank voll und ein Urlaub pro Jahr ist im Normalfall auch immer drin. Worauf ich hinaus will: Ich sehe mich gesellschaftlich irgendwo in der Mitte angesiedelt. Nicht arm, aber auch nicht verpflichtet, der gute Samariter zu sein. Ich habe einen Job, ein kleines Auto, eine nette Wohnung...Mir geht es gut. Ich fahre allerdings weder einen Maybach noch habe ich 10.000€ unter dem Kopfkissen, wenn es um die Frage nach Stopfen von Haushaltslöchern geht, würde ich nicht als erster die Hand heben. Fiktive herrschende Stammtischmeinung: Wenn Geld fehlt, dann sollen dafür doch bitte die Wohlhabenden aufkommen, denen geht´s eh viel zu gut und die wissen doch sowieso nicht wohin mit dem ganzen Geld. Ich kann zwar meine Rechnungen zahlen, aber bei aller Liebe, reich bin ich nun wirklich nicht. "Die da oben" aber schon, sollen die doch bluten:

Jetzt hat Robin Hood prinzipiell eine gute Story, nur kann man sie eben nicht 1:1 in den Alltag übertragen. Klar, wer mehr hat, sollte irgendwo auch mehr geben, aber diese Zwangssolidarität wird ja bereits durch die verschiedenen Steuersätze abgebildet. Je Höher das Einkommen, desto höher die Steuer. Und auch wenn er mich (in diesem Fall leider) nicht betrifft, ein Spitzensteuersatz von 42 % ist schon nicht ohne, auch wenn der in den 90ern sogar bei 53% lag.

(Man sollte dabei natürlich auch die Einkommensgrenzen beachten. In Österreich z.B. liegt der Spitzensteuersatz bei satten 55% - Allerdings erst ab einem Einkommen von einer Million. In Deutschland greift der Spitzensteuersatz bereits ab ab 66.761 €)

Und jetzt wird es spannend. Eat the rich, die sind gefordert, aber wer ist eigentlich "reich"? Etwa ein Drittel aller deutschen Vermögen gehören gerade einmal gut einem Prozent, ist schon mal einen Basis. Damit der Post aber nicht zum Roman wird, beschränke ich mich vorerst auf die Idee, Einnahmen durch Einkommenssteuern zu erwirtschaften, denn wenn man von höheren Steuern im Allgemeinen / Reichensteuer spricht (was oft der Fall ist, wenn wild Gelder gefordert werden), wird es unstrukturiert: Einkommensteuer, Vermögensteuer, Erbschaftsteuer, Kapitalertragsteuer...Wer meine Meinung dazu wissen will, in Teilen habe ich dazu ja auch schon was geschrieben (Nach Sonderausgaben in dieser Höhe ist der Erbe zwar immer noch sehr reich, aber der Betrieb insolvent" oder es werden "Grenzen nach unten angepasst [...] und schwups, gilt man als Spitzenverdiener.")

Back to the main topic, wer gilt den nun als reich? Da ich mich wie gesagt auf Geld durch Einkommen beschränke, nehme ich die Beiträge der Steuerpflichtigen zum Einkommensteueraufkommen zur Hand. Das ist zwar nicht 100% sauber, aber so werden zumindest halbwegs Kinder und Co. berücksichtigt, die noch keine oder nur wenig Einkommen zu versteuern haben bzw. deren Einkommen schon versteuert wurden. Um es nicht komplizierter zu machen als es eh schon ist, lasse ich auch die Versteuerung der Rente so halb außer Acht, auch wenn alle, die 2058 oder später in Rente gehen werden, ihre Rente voll versteuern werden müssen.

Here we go, leider habe ich keine aktuellen Zahlen gefunden, 2018 ist jetzt aber auch noch nicht sooooo weit weg (Die 90er sind gefühlt ja auch noch keine 30 Jahre her)

 

Man sieht: Die unteren 50% haben ein Einkommen (Anteil am zu versteuernden Einkommen) von 17,2% und einen Anteil von 5,4% an der Einkommensteuer. Die oberen 10% haben einen Anteil am zu versteuernden Einkommen von 37% und einen Anteil von 54,8% an der Einkommensteuer.

So, und jetzt hoffe ich, dass man meine (Milchmädchen)Rechnung wenigstens ein bisschen nachvollziehen kann:
Die (untere) Hälfte hat wie erwähnt 17,2% Anteil am zu versteuernden Einkommen. Wären die unteren fünf Dezile gleich verteilt, wäre das pro Dezil 3,44% bzw. 1.08% Anteil an der Steuerlast. Bezogen auf die oberen 10% mit einen Anteil am zu versteuernden Einkommen von 37% entspricht das etwa dem Faktor 10,8 (37 geteilt durch 3,44). Das obere Zehntel hat also ca. das 10fache im Vergleich zu jedem Zehntel der unteren Hälfte, wenn ich den Mittelwert betrachte. Und das sorgt natürlich für Missmut. Selbst beim Vergleich des 1. und 2. Zehntels ergibt sich noch ein Faktor von 2,29, sprich man hat selbst hier nicht einmal die Hälfte des Zehntels über einem (Wir merken uns die beiden Einkommensfaktoren 10,8 und 2,29). Jeder, der nicht zum 1. Zehntel zählt, wird das unschön finden.

Tenor: Die oben stehen, haben ein viel höheres Einkommen, also sollten sie auch mehr Einkommensteuer zahlen. Klingt auf den ersten Blick auch nicht unfair, besonders die Linke schlägt in diese Kerbe. Das Problem, wie auf dem Diagramm unschwer zu erkennen ist: Die sogenannten Besserverdiener zahlen bereits mehr. Die Frage ist, zahlen sie genug, was ist fair? 

Betrachtet man das Verhältnis [Anteil am zu versteuernden Einkommen - Anteil der Einkommensteuer] der einzelnen Dezile, zeigt sich ein schlüssiges Bild: Die oberen 10% haben wie schon geschrieben einen Anteil am zu versteuernden Einkommen von 37% und einen Anteil von 54,8% an der Einkommensteuer, was einem Verhältnis von 1,48 entspricht. Bei jedem anderen Dezil ist das Verhältnis schlechter, man hat nicht einmal die 1 vor dem Komma. Nach dieser Betrachtung stehen die oberen 10% schon jetzt mit Abstand am schlechtesten da.

Ich versuche, dass mal halbwegs sinnvoll einzuordnen. Schauen wir uns nun die beiden Beispiele an und stellen die Faktoren gegenüber:
Einkommensfaktor erstes Zehntel zu zweitem Zehntel: 2,29
Einkommensteuerfaktor erstes Zehntel (37 - 54,8): 1,48
Einkommensteuerfaktor zweites Zehntel (16,1 - 16): 0,99

-> 1,48 ist das 1,49fache von 0,99. Der Einkommensfaktor erstes Zehntel zu zweitem Zehntel ist 2,29, also größer. Das zeigt, dass Reiche eine höhere Steuerlast haben, aber nicht in dem Maße mehr, was ihr Vermögensplus im Vergleich zum zweiten Dezil hergeben würde. Das zeigt auch ein zweites Beispiel:

Einkommensfaktor erstes Zehntel zum Durchschnitt der unteren Hälfte: 10,8
Einkommensteuerfaktor erstes Zehntel (37 - 54,8): 1,48
Einkommensteuerfaktor Durchschnitt der unteren Hälfte bei Gleichverteilung (3,44 - 1,08): 0,31

-> 1,48 ist das 4,8fache von 0,31. Der Einkommensfaktor erstes Zehntel zum Durchschnitt der unteren Hälfte ist mit 10,8 ebenfalls größer.

Spitzenverdiener zahlen generell also immer mehr Einkommensteuern, stehen beim Einkommensfaktor aber auch besser da. Ist das jetzt fair, oder unfair? Sie zahlen mehr, haben aber auch überproportional mehr.

Damit niemand sagen kann ich unterschlage was: Auch diese Relation hat Ausnahmen, wie ein letztes Beispiel zeigt:

Einkommensteuerfaktor erstes Zehntel (37 - 54,8): 1,48
Einkommensteuerfaktor letztes Zehntel (2,5 - 0,2): 0,08
-> 1,48 ist das 18,5fache von 0,08. Der Einkommensfaktor erstes Zehntel zu letztem Zehntel ist aber 14,8 (37 durch 2,5).

Was lernt man daraus? Je nachdem wie man argumentieren will, kann man pro und contra Argumente finden, was denn nun fair ist oder auch nicht. Eine Idee wäre, zu versuchen, Einkommensfaktor und Einkommensteuerfaktor gleich zu halten. Das Problem: Wie will man das anstellen? Und selbst wenn man das hinkriegen würde, die Schere zwischen arm und reich wäre ja immer noch da, als fair würden das so oder so nicht viele betrachten. Ergebnis: Reiche zahlen stets mehr, die Frage ist, zahlen sie genug. Und die lässt sich je nach Argumentation mit ja oder nein beantworten. Ohne Topverdiener in Schutz nehmen zu wollen (warum auch), eine pauschale Antwort sehe ich hier ehrlicherweise nicht...Ich kann nicht objektiv beurteilen, ob die Steuerlast fair ist.

In diesem Sinne getreu nach Jupp Schmitz.

Wer soll das bezahlen?
Wer hat das bestellt?
Wer hat so viel Pinkepinke?
Wer hat so viel Geld?

Da beißt die Maus keinen Faden ab, die Besserverdiener werden auf jeden Fall gefragt sein, egal ob das jetzt als fair oder unverhältnismäßig erachtet wird. Ich befürchte nur, dass viele denken, als normaler Mittelständler wird man davon natürlich nicht betroffen sein. In Pandemiezeiten hat man im Zweifel von Vater Staat ja Unterstützung erhalten, man ist doch eher Empfänger als Einzahler. Ich bin da allerdings pessimistischer bzw. realistischer. Warum, versuche ich im letzten Teil des Posts darzulegen.

Gedankenspiel: Ich bleibe weiterhin bei der Annahme, dass "die Reichen" herhalten sollen; ganz allgemein, ohne dieses Mal eine bestimmte Steuer durchzuexerzieren. Wer hat denn nun Vermögen, von dem man was abzweigen kann, damit es fairer zugeht? Es muss doch Leute geben, die genug haben. Klar, Millionäre wären naheliegend, da haben wir in Deutschland auch gut 800.000. Die machen aber dummerweise nur 1% der Bevölkerung aus und das 1% die restlichen 99% finanziert, lässt sich nicht gut verkaufen. Ich bleibe daher bei den oberen 10% aus dem vorherigen Beispiel, ein bisschen Masse an zahlkräftigen Mitbürgern braucht es ja schon. 

Wer trotz der Länge des Postings noch aufmerksam ist, hat u.U. bemerkt, dass im letzten Satz eine gewisse Brisanz steckt. Die oberen 10% sind gefühlt weit weg, aber Millionäre sind nur 1%, sprich  9 von 10 Leuten im Wohlstandsdezibel sind eben keine Millionäre sondern "lediglich" reich. Was heißt das genau? Zu den reichsten 10 Prozent der Deutschen gehört man mit einem Vermögen im Wert von ca. 280.000 Euro oder mehr. Keine Frage, 280.000€ ist ein Haufen Asche, mit dem Geld geht es einem sicher nicht schlecht. Potentielle Quelle, die Vater Staat anzapfen könnte, oder? 

Aber: Was ist mit dem (ja, ich weiß, übertriebenes Beispiel) 80jährigen verwitweten Großmütterchen, das mit ihrer Rente gerade so über die Runden kommt, sich aber vor 50 Jahren mit ihrem Mann eine Wohnung gekauft hat? Diese wird selbst bewohnt und ist mittlerweile abbezahlt (das monatlich zu zahlende Wohngeld ignoriere ich mal). Je nach Lage wird so Wohnung aktuell schon noch ihre Viertelmillion wert sein, dazu noch ein bisschen Inneneinrichtung...

Das innere Teufelchen: "Die gehört zu den oberen 10%! Nieder mit ihr! Was interessiert mich ihre magere Rente, die hat doch Vermögen! Hart besteuern die gute Frau! Wie, das kann sie sich von ihren laufenden Einnahmen gar nicht leisten? Das grenzt ja schon fast an asozialem Verhalten! Wahrscheinlich ist die sogar Anfang 60 in Rente und schafft seit 20 Jahren nicht mehr! Die hat sich lange genug ausgeruht, Jobs sind doch da, soll sie wieder arbeiten gehen, Eigentum verpflichtet! Die Alten Klagen doch eh immer das sie alleine sind, zurück in die schöne Arbeitswelt, Minijobs annehmen, ´n bisschen was zur Wirtschaft beitragen. Besonders die Jugend will schließlich JETZT leben, die Alten hatten doch schon ihre Zeit. Die alte Egoistin! Am Ende hat die noch ihre 60m², die braucht die in dem Alter als Alleinstehende doch eh nicht mehr. Die soll endlich mal an die Jugend denken! Ha, 3-Zimmer Wohnung, da kann man doch eine super-duper WG draus machen. Her mit dem Wohnraum! Zusätzlich zur monetären Abgabe!"

Man kann minimal herauslesen, dass das in meinen Augen ein problembehafteter Ansatz ist. Und selbst ohne Härtefälle, ich hätte an der Spitze mit viel mehr Vermögen gerechnet. Das mit der breiten Mittelschicht in Deutschland scheint zu stimmen, und hier ist das "Problem". Die Mittelschicht wird es richten müssen, und da werde mutmaßlich auch ich meine Teilnahmeurkunde in Form von zusätzlichen/höheren Abgaben erhalten. Aus "die Mittelschicht muss gestärkt" kann ganz schnell ein "die Mittelschicht trägt unser Land, einen großen Applaus bitte" werden. Ich überbringe ja nur ungern schlechte Nachrichten, aber da werden viele, die nicht damit gerechnet haben, in den sauren Apfel beißen müssen.

Und bitte den Unterton nicht falsch verstehen, die Eingangs erwähnten Punkte (die 4-Tage-Woche ausgenommen) als auch faire Löhne, Grundsicherung, Wohnraum, alles wichtig. Aber all das muss auch finanziert werden, und ohne Zusatzbelastung für den Mittelstand ist mit den aktuellen Mitteln nicht mehr drin. Auch wenn man Sondervermögen schafft, wird das schlussendlich - so meine Prognose -jeder Einzelne von uns ausbaden müssen. Denkt an meinen kleinen Beitrag, wenn die Mehrwertsteuer erhöht wird.

Abschließend: Ich will natürlich auch, dass es keine große Schere zwischen arm und reich gibt und schlecht soll es natürlich auch niemandem gehen. Ich will nur anmerken, dass jeder, der prinzipiell schöne Forderungen stellt, davon ausgehen muss, selbst in die Pflicht genommen zu werden. Ich betrachte mich schon als halbwegs solidarisch, aber ich darf mich dann nicht beschweren, wenn ich zur Kasse gebeten werde.

Staatliche Aufgaben sind kein Wunschkonzert:

  • Der Mindestlohn ist vielen zu niedrig - aber es gibt einen.
  • Die Grundsicherung ist ebenfalls nicht sehr hoch, eine tolle Lebensqualität hat man so sicher nicht - aber keiner muss verhungern.
  • Die Städte platzen, Mieten sind fast unbezahlbar - dem Gegenüber stehen viele freie Wohnungen, nur in sehr unattraktiven Gebieten. Wohnraum ist aber da.
In einer perfekten Welt sind die Bedingungen besser, aber die Welt ist nun mal nicht perfekt. Wer den Status Quo bemängelt, muss auch konsequent sein und das monetär mittragen. Die Liste ließe sich im Übrigen beliebig weiterführen, auch ohne den Punkt Ausgaben: Die Bundeswehr sollte im Fall der Fälle funktionieren, aber wer würde freiwillig an die Front? Das Klima ist schützenswert, aber man will ja auch ein wenig die Welt sehen, selbst wenn sie nicht perfekt ist. Aber nicht unbedingt per Lastenrad.

Aber ich verliere den roten Faden, daher höre ich jetzt auf, ist eh schon viel ausführlicher als angedacht geworden. Den Blog habe ich mittlerweile seit fast 20 Jahren, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit der bisher längste Beitrag...

Montag, März 03, 2025

One year - One pic per day: Year XIV

Alle Jahre wieder: One pic per day - Jahr 14 :)
 
365 Tage, 365 Bilder, gute 6 1/2 Minuten Daumenkino. Und kleinen reminder: Unter fototagebu.ch kommt man auf die Youtube-Playlist aller Rückblicke in chronologischer Reihenfolge.  

Sonntag, Januar 05, 2025

Wie kann man sich Nuhr so ändern - Warum mich als (alten) weißen Mann Dieter Nuhr trotzdem nicht mehr abholt

Es gibt eine ganze Reihe an Comedians, mit denen ich aufgewachsen bin: Ingo Appelt (stets „leicht“ anzüglich), Mario Barth (immer hyperaktiv mit Stories über seine Freundin), Michael Mittermeier (ein klassischer Pausenclown) und auch Dieter Nuhr, alle mit – zumindest damals – ihrer Daseinsberechtigung. Als pubertierender Teenager hat mich Ingo Appelt zu 100% abgeholt, was sich aber auch schnell wieder gelegt hat, als man dann doch etwas reifer wurde. Mario Bart war mir mit dem gefühlt ständigem „kennste, kennste kennste“ irgendwann einmal zu nervig und Michael Mittermeier war meiner Meinung nach zwar immer gut und hörenswert, aber auf Dauer etwas zu brav. Dieter Nuhr hingegen hat mich über Jahre überzeugt. Immer recht nahe dran an aktuellen Themen, leicht polarisierend, aber irgendwo auch mit satirisch-intellektueller Note.

Vermutlich hat es über die Jahre auch Nachwuchs gegeben, aber bis auf Claus von Wagner ist da niemand bei mir hängengeblieben. Alle anderen die mir spontan einfallen, würde ich eher noch der Poetryslamecke zuordnen (Till Reiners, Torsten Sträter etc.)

Und ja, ein Kaya Yanar, Johan König, Django Asyl oder Olaf Schubert sind natürlich auch alle nicht verkehrt, aber wenn der ein oder andere nicht gerade am Nockherberg aufgetreten ist, war die Comedy hier auch eher harmlos und nicht unbedingt mit Hauptaugenmerk Tagesgeschehen. Carolin Kebekus würde mir auch noch einfallen, aber war mir immer zu unbeständig, manches fand ich richtig gut, manches gähnend langweilig. Ich bin auch nach wie vor Fan von Frank-Markus Barwasser, aber der ist in meinen Augen auch eher ein Klassiker mit fast schon zeitlosen Gags.

Aber Dieter Nuhr, der hält die Fahne hoch, was intelligenten Humor anbelangt. 2013 starb Dieter Hildebrandt, 2016 ging Volker Pispers in Rente, bis auf Urban Priol (und mei ist der noch gut) und Nuhr blieb da aus der Bubble keiner mehr für mich übrig.

Aber das war einmal…

Es ist traurig (und das macht es bei einem Berufskomiker noch trauriger), dass sich mein Bild von ihm komplett gedreht hat. Klar, man kann eine Kunstfigur des alten weißen Mannes schaffen und hierzu überspitzte Witze machen, aber Dieter Nuhr spielt keine Bühnenfigur mehr, der ist einfach so.

Wer mich kennt weiß, dass auch ich so einiges kritisch sehen und ab und dann die Samthandschuhe ausziehe, wenn mir manche Diskussionen zu bunt werden. Man soll jeden respektieren, aber wenn sich die Inge Müller aus Gaukönigshofen darüber aufregt, dass sich das Nachbarkind an Fasching als Indianer verkleidet oder der Kai-Emil Schmitt jeden Autofahrer mit Deutschlandfähnchen während der Heim-EM als Nationalisten beschimpft, muss man die Kirche auch mal im Dorf lassen. Aber das nur am Rande, sonst verliere ich den roten Faden...

Zurück zu Nuhr und was mich an ihm mittlerweile ärgert. Dieter Nuhr will mich (na ja, alt ist relativ, aber weiß und männlich kann man schon so stehen lassen) als Zielgruppe ansprechen, aber er macht es einfach zu billig, da kann ich mich auch gleich (Schubladendenken auf) in Dresden an ´nen Stammtisch setzen, da habe ich ein ähnliches Niveau. Ständig schwadroniert er, dass man ja nichts mehr sagen dürfe, Stichwort Cancel Culture, aber irgendwie höre ich das von ihm so gut wie jede Woche, dass beißt sich doch. Im Grunde ist er der lebende Beweis, dass man eben doch alles sagen darf. Und mit gegensätzlichen Meinungen sollte man klarkommen, auch wenn ich mir von vielen, die sich für seeeehr tolerant halten, ihrerseits mehr Toleranz anderen gegenüber wünschen würde. Aber auch hier gleich ein Schlussstrich, oben erwähnter roter Faden und so.

Man hört auf jeden Fall Aussagen wie „man wird mundtot gemacht“, man darf “öffentlich nichts mehr äußern“, die „Meinungsfreiheit ist in Gefahr“.

Auch hier ein kurzer Exkurs: Luke Modridge hatte vor ein paar Monaten ordentlich Gegenwind aufgrund eines behindertenfeindlichen Witzes . Ich finde den Typen eher unlustig und der Joke war auch unterste Schublade, aber dass man ihn deswegen gleich beruflich/wirtschaftlich ruinieren will, halte ich für unverhältnismäßig. Keiner muss sich seinen Kram anschauen, aber nur weil jemand einen schlechten Witz gemacht hat, muss man ihn nicht gleich über die Klinge springen lassen.

Selbst wenn man das so sehen mag, wenn das Woche für Woche im öffentlichen Fernsehen zu hören ist, ist das doch einfach nicht so. Und obwohl er offenkundig subtil AfD-Sprache adaptiert und über Mainstreammedien lästert („Aus Venedig zurück… Hier in Deutschland konnte ich den Medien entnehmen, dass die Kanäle in Venedig unter starkem Niedrigwasserleiden würden… Offenbar sieht man das nicht, weil sich über dem Niedrigwasser Wasser befindet“ = die bösen linken Mainstreammedien, die nur Unwahrheiten verbreiten und die wichtigen Nachrichten dem Volke verschweigen. Lüüüüüügenpresse!), hat er seine Show fast schon perverserweise in der ARD. Für´s Protokoll, Venedig hatte erwiesenermaßen Niedrigwasser, aber wenn ich ein Selfie bei Flut mache, ist da natürlich Wasser zu sehen. Und wenn er ein paar Tage vor Ort war, hat er auch den Wasserstand bei Ebbe gesehen, sich aber bewusst für den „hetzerischen“ Post entschieden der suggeriert, das wäre alles gar nicht so.

Ich finde auf die schnelle leider keine weiteren Beispiele, aber er hat immer mal wieder aus Urlauben ultra-investigativ berichtet, dass deutsche Meldungen nicht stimmen würden, bspw. bezüglich Demos.„Ich bin hier vor Ort, hier ist nichts“ – obwohl eine Straße weiter die Leute waren. Wohlgemerkt falsche Behauptungen wie Tatverdächtige mit Migrationshintergrund würden totgeschwiegen lässt er auch nicht zufällig fallen, da zielt er schon erkennbar in eine Richtung, dass muss jedem bewusst sein. Und dann labert er durch die Blume auch noch von der Todesstrafe, ganz großes Kino...

Ich weiß auch nicht, was er für ein Problem mit Greta Thunberg hat. So schimpft er in diesem Zuge gerne gegen die Klimakleber und auch fleißig gegen die letzte Generation (wie die sich wohl nennen, wenn die mal Kinder haben?), was ich in Teilen so sogar unterschreiben würde – halt nur dumm, dass Greta Thunberg das Gesicht von Fridays For Future und nicht das der Klimakleber ist. Ja, da geht’s um das gleiche Thema, aber es ist unsauber, dass über einen Kamm zu scheren. Und dann hat er auch keine Scheu vor wilden Themenwechseln, um sie in ein schlechteres Licht zu rücken (Ich bin übrigens kein Freund von ihr, auch wenn ich mir der Klimaerwärmung durchaus bewusst bin): „Gretas arabische Freunde beweisen doch, dass der Klimawandel nicht unser größtes Problem ist, sondern die Radikalisierten dieser Welt.“ Ja, da hat er recht, aber was hat das eine mit dem anderen zu tun? Hey, Hitler hat die Autobahn bauen lassen, vielleicht war er ja doch nicht so verkehrt - wäre ein genauso unsinniger Rückschluss. Und dieser Whataboutism regt mich auf. Wenn morgen die Atombombe fällt, die Aliens aus Independence Day anrücken oder meine Bude abfackelt, habe ich klar andere Probleme als den Klimawandel. Aber deswegen kann man den doch nicht ignorieren...

Ich hab´s mit der Political Correctness ja auch nicht so, aber alles in Frage zu stellen? Medien, Politik, Migration, Klimawandel, Cancel Culture, Corona, damals das Griechenlandbashing… irgendwann muss man sich doch mal an allen Themen abgerieben haben. Auch ich bin Freund offener Debatten, aber wenn man immer die gleiche, festgefahrene Sicht hat, das Publikum einseitig lenken will und am Ende auch noch Fakten ignoriert oder sich manches gar einfach ausdenkt (Ja, hat er schon gemacht), dann hört´s bei mir einfach auf. So gut ich Dieter Nuhr damals als Kabarettist fand und soviel Anklang er auch heute bei vielen noch hat – ich kann mit seinem „Humor“ nichts mehr anfangen. Das ist keine gewitzte Satire wie früher mehr, dass ist nur noch altbacken mit Tendenz frustriert.

Aussagen wie „Wenn unsere Kinder meinen, wir können diese Welt mit ein bisschen Sonne und Wind antreiben, dann sollten wir Eltern ihnen ein Hamsterrad mit Dynamo ins Kinderzimmer stellen“ halten mache vielleicht über einen gelungenen Schenkelklopfer, aber so lapidar durchaus ernste, diskussionswürdige Themen abzuwiegeln, ist nur noch billig. Ja, nur mit Solar und Wind wird´s vermutlich eng werden, aber so ein Spruch bringt doch auch keinen weiter. Aber Hauptsache mal gelästert, tut ja gut, sich für schlauer als den Rest zu halten. Ich erwarte bei jemanden, der mich unterhalten soll, ja keine Elefantenrunde oder einen Talkshowcharakter, aber ein bisschen Selbstreflexion würde ihm sicher nicht schaden. Bei ihm gibt es nur Null oder Eins und im Grunde redet er alles schlecht oder zieht es ins Lächerliche. Und so was muss ich mir nicht mehr geben.

Mittwoch, November 06, 2024

US-Wahl: Überraschung? Nicht wirklich.


Sind wir mal ehrlich: Bevor Biden aus dem Wahlkampf ausgestiegen ist, hat sich doch niemand für Kamala Harris interessiert. Das traurige ist, dass sie nicht mal unbeliebt war, da man von ihr im Grunde nichts mitbekommen hat, sie blieb einfach komplett blass. Profil? Fehlanzeige. Erst nachdem man Biden (von außen betrachtet zurecht) abgesägt hat, wurde sie als große Retterin der Demokratie auserkoren.
Rebranding at it´s best.

Achtung, bissiger Kommentar:
Es langt (als afroamerikanische Frau im Erwerbsalter) offensichtlich nicht, nur das Gegenstück zum alten weißen Mann zu sein, um eine Wahl zu gewinnen.

Hier habe ich auf Deutschland bezogen geschrieben:
"Da ging es nicht um Klima, Rente, Infrastruktur etc, da ging es in 99% aller Diskussionen nur darum, die AfD zu verhindern. Das eigene Programm? Unwichtig, man ist ja nicht rechts, dass muss reichen."

Und das gilt auch in den USA. "Ich bin wenigstens nicht Trump" ist halt zu wenig, irgendwo braucht es auch Inhalte. Und da kam anscheinend eben zu wenig, mir fällt bis auf das Thema Abtreibung auch nur wenig ein, was hängen geblieben ist. Natürlich sind Themen wie z.B. Selbstbestimmung wichtig, aber das interessiert die Meisten - weil nicht betroffen - eben kaum, die haben ihren Fokus eher auf Preise für Lebensmittel und Energie gerichtet.

Kleiner Verweis auf Statista: Die Wähler trauten Harris zwar bei den Themen Abtreibung, Selbstbestimmung, Bildung. Gesundheit und Umweltschutz mehr zu, Trump führte dafür bei den Punkten Kriminalitätsbekämpfung, Außenpolitik inklusive Russland und Israel, Immigration, Inflation und Wirtschaft.

Trump hingegen hat sich eigentlich zu allem geäußert, zwar relativ planlos und häufig unrealistisch (hoffe ich zumindest, 100% Zoll auf deutsche Autos wäre für uns jetzt nicht so sexy), aber man kann ihm nicht vorwerfen, zu wenig Themen angeschnitten zu haben. Man muss ihm lassen, dass er im Gegensatz zu Harris die Amerikaner besser abgeholt hat (was uns mit der AfD auch noch blühen kann, Reizthema Migration, aber das würde jetzt ausufern).

Trotzdem bleibt er in vielen Punkten unberechenbar. Schlimm genug, dass er sich zu leicht von fragwürdigen Quellen (Fox/Tucker Carlson, Breitbart, "They’re [immigrants] eating the dogs. They’re eating the cats") bewusst oder unbewusst beeinflussen lässt, er verbreitet diese absurden Behauptungen halt auch noch. Selten habe ich von einem Politiker so viel offensichtlich falschen Unfug gehört. Und das der mächtigste Mann der Welt ein in 34 Anklagepunkten schuldig gesprochener Verurteilter ist, muss man auch erst einmal sacken lassen.

Im Kreml werden sie ihr Glück vermutlich kaum fassen können, während die Ukraine jetzt mehr denn je zittern muss - für Selenskyj  ist das Worst-Case-Szenario eingetreten. Aber auch bei uns werden einige dumm aus der Wäsche schauen, nicht nur wegen weiter zu erwarteten Flüchtlingen. Erst vor ein paar Tagen hat bei „Hart aber fair“ bspw. Frau Strack-Zimmermann in gewohnter Art „Trump hat nicht alle Tassen im Schrank” rausgehauen. Das darf man sicherlich denken, aber als Mitglied des europäischen Parlaments und Vorsitzende des Ausschusses für Sicherheit und Verteidigung, würde ich solche Aussagen nicht in Talk Shows kund tun.

Btw, neben Putin dürfte auch Elon Musk Luftsprünge machen. Taylor Swift hat sein Angebot sie zu schwängern (ehrlich, was für ein kranker Typ, mehr Hybris geht nicht) zwar ausgeschlagen, aber Trump wird sein Angebot, ihn in irgendeiner Position - und sei es nur Berater - zu unterstützen, zu 99% annehmen. Trump erneut Präsident und Musk vermutlich Teil der Regierung - Das das einmal Fakt ist, hätte ich nicht gedacht.